Die Hautärztin und Allergologin Dr. Eva Kristina Bee berät in ihrer Praxis in Münster Menschen, die sich für eine vegetarisch-vegane Ernährung interessieren.
Wie oft haben Sie in Ihrem Arbeitsalltag mit dem Thema vegetarisch-vegane Ernährung zu tun?
Eigentlich täglich, denn viele Hauterkrankungen wie Neurodermitis, Akne oder Nesselsucht sind von der Ernährung beeinflusst. Außerdem hat sich in Münster herumgesprochen, dass in meiner Praxis vegan und vegetarisch lebende Menschen nicht auf Ablehnung stoßen. Das ist leider in manchen Praxen immer noch der Fall.
Die gesundheitlichen Vorteile einer vegan-vegetarischen Ernährung liegen auf der Hand, denn die sogenannten Zivilisationskrankheiten kommen vor allem bei Mischköstlern vor. Die meisten Menschen essen zu fettig, zu eiweiß- und zu kalorienreich. Dies führt zu Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs, die nicht nur tragisch für die Patienten sind, sondern auch das Gesundheitssystem eine Menge Geld kosten.
Mit welchen Fragen kommen vegetarisch-vegane Eltern auf Sie zu?
Hauptsächlich mit der Frage, wie man den Nährstoffbedarf in den unterschiedlichen Lebensphasen am besten decken kann. Eltern, die ihre Kinder vegan ernähren, wollen von Anfang an alles richtig machen und einen Nährstoffmangel vermeiden. Darum informieren sie sich ausführlich und bringen meist bereits ein umfangreiches Wissen mit.
Übrigens sollten sich auch mischköstlich lebende Eltern gut auskennen, da die größten Ernährungsfehler weiterhin bei der omnivoren Ernährung gemacht werden – und ein Kind, das übergewichtig ist, wird fast immer auch ein übergewichtiger Erwachsener, was zahlreiche Erkrankungen nach sich zieht.
Welche Herausforderungen kann es in Schwangerschaft und Stillzeit sowie im Kindesalter im Hinblick auf die pflanzliche Ernährung geben und wie kann man ihnen begegnen?
Während Schwangerschaft und Stillzeit muss besonders auf eine ausgewogene und vollwertige Ernährung geachtet werden, um das Ungeborene beziehungsweise das Neugeborene in seiner Entwicklung nicht zu gefährden. Herausfordernd ist sicherlich das momentan noch kleine Angebot von veganer Beikost, daher empfehle ich, Babybreie und Co. selbst zu kochen. Vegane Schwangere stoßen in ihrer Umgebung und leider auch bei manchen Ärzten oft auf Ablehnung oder Unverständnis. Das ist bei guter Planung der Ernährung aber unbegründet.
Bei einer vegetarisch-veganen Ernährung ist zu beachten, dass kritische Nährstoffe in ausreichendem Maße zugeführt werden. Man sollte zum Beispiel die Proteinzufuhr im ersten Lebensjahr nicht ausschließlich über Sojaprodukte decken, da Kleinkinder sonst eventuell eine Allergie darauf entwickeln können, insbesondere, wenn in der Familie bereits gehäuft Allergien vorkommen. Es gibt ja viele Alternativen wie beispielsweise rote Linsen und Kichererbsen, die in der Regel gut vertragen werden, sodass eine Deckung der Nährstoffe auch in diesem Lebensalter gewährleistet ist. Im Übrigen ist Muttermilch eine hervorragende Nahrungsquelle, die perfekt auf den Säugling abgestimmt ist.
Welche Untersuchungen empfehlen Sie vegetarisch-veganen Schwangeren, Stillenden und Kindern?
Ich empfehle eine Untersuchung von Holo-Transcobalamin II als Marker für den Vitamin-B12-Speicher sowie der Werte von Ferritin (Eisen-Speicher) und Vitamin D3 (25-OH-Vitamin-D). Weitere Blutwerte kann man nach Bedarf überprüfen.
Welche weiteren Tipps haben Sie für Veggie-Eltern?
Lassen Sie sich nicht durch ablehnendes Verhalten mancher Ärzte verunsichern. Der VEBU listet online viele Ärzte, die der vegetarisch-veganen Ernährung gegenüber aufgeschlossen sind. Dort findet sich bestimmt auch einer in Ihrer Nähe. Außerdem gibt es mittlerweile gute Literatur zum Thema. Kürzlich erschienen ist zum Beispiel ein Leitfaden von Dr. Markus Keller und Edith Gätjen zur veganen Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit.
Welche Rolle spielt die pflanzliche Ernährung in der medizinischen Ausbildung?
Zu meiner Zeit kam das Thema Ernährung in der medizinischen Ausbildung so gut wie nicht vor. In der Medizin wird immer deutlicher, dass viele Erkrankungen ernährungsbedingt sind. Daher wünsche ich mir für das Medizinstudium das Fach Ernährungsmedizin. Ich würde aber noch viel früher ansetzen: Es ist wichtig, dass bereits im Kindergarten und in der Grundschule Ernährungslehre angeboten wird. Wir lernen in den ersten zwei Lebensjahren, was uns schmeckt. Das später zu korrigieren, ist sehr schwierig.
Nicht alle Ärzte sind der vegan-vegetarischen Ernährung gegenüber aufgeschlossen. Was raten Sie diesen Kollegen?
Ich rate ihnen, sich versuchsweise einmal vier Wochen lang vegan zu ernähren, eventuell unter der Begleitung eines Vegan-Buddys. Nur so kann man wirklich mitreden, finde ich. Außerdem sollte man sich regelmäßig fortbilden, denn gerade auf diesem Gebiet gibt es laufend neue Erkenntnisse.
Vielen Dank, Frau Dr. Bee, für das Interview!