VeChi-Youth-Studie: So gesund ist eine vegan-vegetarische Kinderernährung

Ein Mangel an verlässlichen Informationen über gesunde Veggie-Ernährung bei Kindern verunsichert immer noch viele Eltern, die sich und ihre Familie pflanzlich ernähren möchten. Denn bislang gibt es dazu nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen. Die Studie „Vegetarische und vegane Ernährung bei Kindern und Jugendlichen“ (VeChi-Youth-Studie) liefert bestärkende Antworten.

VeChi-Youth-Studie über Nährstoffzufuhr bei Kindern und Jugendlichen

Pflanzenbasierte Ernährung spricht mehr und mehr Menschen an, so wächst auch der Bedarf an verlässlichen Informationen stetig. Bisher gibt es jedoch kaum wissenschaftliche Untersuchungen zu pflanzlicher Kinderernährung. Bei der VeChi-Youth-Studie handelt es sich um die Folgestudie der VeChi-Studie („Vegetarian and Vegan Children Study“), die Kleinkinder im Alter von 1 bis 3 Jahren untersucht hat. Die VeChi-Youth-Studie beleuchtete nun auch die Auswirkungen verschiedener Ernährungsformen auf die Nährstoffversorgung von Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 19 Jahren.

Ende November 2020 wurden die Ergebnisse der VeChi-Youth-Studie im Rahmen des 14. Ernährungsberichts der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) veröffentlicht – mit positiven Schlussfolgerungen. Weder bei der Energiezufuhr noch bei der Energiedichte gab es signifikante Unterschiede zwischen der vegetarischen, veganen und mischköstlichen Gruppe. Alle untersuchten Kinder und Jugendlichen waren ausreichend mit den Makro- sowie den meisten Mikronährstoffen versorgt. Zudem zeigte die Energiezufuhr aller einen ähnlich hohen Kohlenhydrat- sowie moderaten Fettanteil, was weitgehend den D-A-CH-Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr für diese Altersgruppen entspricht.[1]

Kritische Nährstoffe ausgleichen

Bei allen Ernährungsformen muss auf kritische Nährstoffe geachtet werden. Vitamin B₁₂ sollte bei einer rein pflanzlichen Ernährungsweise unbedingt supplementiert werden. Erfreulicherweise waren die Vitamin-B₁₂-Werte bei allen Gruppen weitestgehend im Normbereich. Der Bedarf wird bei veganer Kinderernährung also ausreichend über ein Vitamin-B₁₂-Präparat gedeckt. Die Autorinnen und Autoren der Studie empfehlen darüber hinaus zumindest auch eine gelegentliche Supplementierung mit Vitamin B₁₂ für vegetarisch ernährte Kinder. Die vegane Gruppe wies im Schnitt die höchste Zufuhr an Vitamin E, Vitamin B₁, Folat, Vitamin C, Magnesium und Eisen auf. Die Zufuhr von Vitamin B₂, Vitamin D, Jod und Calcium sollte in allen 3 Vergleichsgruppen beachtet werden.[1] 

Zudem ist die Kombination der aufgenommenen Lebensmittel entscheidend, beispielsweise sollten pflanzliche Eisenlieferanten wie Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte immer mit Vitamin C reichen Nahrungsmitteln kombiniert werden, die die Eisenaufnahme verbessern wie etwa Äpfel, Zitrusfrüchte, Paprika oder Brokkoli.

Auswirkung der Ernährung auf die Leistungsfähigkeit

Wenn Kinder und Jugendliche ausreichend mit allen Nährstoffen versorgt sind und ihre Energie aus komplexen Kohlenhydraten wie Obst, Gemüse und Vollkornprodukten ziehen, haben sie einen konstanten Blutzuckerspiegel. So bleibt eine Unterzuckerung und damit verbundene Heißhungerattacken aus, die wiederum zum sogenannten Mittagstief oder zu aufgedrehten Kindern führen können. Die Qualität der Lebensmittel ist auf jeden Fall ausschlaggebend für Konzentration und Leistungsfähigkeit“, sagt Debora Schweinsberg, Ernährungswissenschaftlerin bei ProVeg.

Vegetarisch und vegan lebende Kinder verzehren laut der VeChi-Youth-Studie mehr Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und Nüsse als die mischköstliche Vergleichsgruppe. Folglich war unter den vegan lebenden Kindern die Zufuhr von Ballaststoffen besonders hoch; bei gleichzeitig niedrigerem Verzehr von Süßwaren, Fertigprodukten, zugesetztem Zucker sowie gesättigten Fettsäuren.[1] Laut Studienleiter Dr. Markus Keller „haben die veganen Kinder im Durchschnitt das beste Lebensmittelmuster gehabt“.[2]

Dazu passt auch das Bild, das Dr. Mark Lohmann vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zeichnet. Seinen Studien zufolge informieren sich vegan lebende Menschen aktiv über das Thema Ernährung und gehen bewusster mit ihrer Ernährungsweise um als Mischköstlerinnen und Mischköstler.[3]

Neuer DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung

Die aktuelle VeChi-Youth-Studie trägt maßgeblich zur Verbesserung der Datenlage bei und auch die DGE fordert in ihrem jüngsten Qualitätsstandard für die Verpflegung in Schulen, maximal einmal pro Woche Fleisch zum Mittagessen anzubieten. Damit wird eine stärker pflanzlich ausgerichtete Schulverpflegung ermöglicht.[4]

Was bedeuten die Ergebnisse der VeChi-Youth-Studie für mich und mein Kind?

Ob Sie Ihr Kind nun vegan, vegetarisch oder mischköstlich ernähren, in jedem Fall sollten Sie auf eine ausgewogene Ernährung mit ausreichendem Verzehr von Gemüse, Obst, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten und Nüssen achten. Zudem ist es ratsam, auf die in der gewählten Ernährungsform kritischen Nährstoffe ein besonderes Augenmerk zu legen und diese mit einer geeigneten Lebensmittelauswahl oder mit einem Supplement zu ergänzen. Die Supplementierung von Vitamin B₁₂ ist bei einer veganen Ernährung unabdingbar. Unter Berücksichtigung dessen kann jede der oben aufgezeigten Ernährungsweisen bedarfsdeckend sein.

Solche Neuigkeiten wie die Ergebnisse der VeChi-Youth-Studie oder der aktuelle DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung stellen die Weichen für eine Zukunft, in der sich immer mehr Menschen für eine gesunde, klimafreundliche und pflanzenbetonte Lebensweise entscheiden. Und die von der DGE initiierte Studie zeigt deutlich: Dies ist auch ohne größere Hürden beim Nachwuchs umsetzbar.

In der ProVeg-Broschüre „Leckeres Essen für alle“ können Sie noch mehr über die Vorteile einer pflanzenbetonten Schulverpflegung und praxistaugliche Tipps für Bildungseinrichtungen erfahren.


Mehr über das VeChi-Youth-Studiendesign
Bei der VeChi-Youth-Studie wurden 401 Kinder und Jugendliche untersucht. Von diesen ernährten sich 150 vegetarisch, 114 vegan und 137 mischköstlich. Im Erfassungszeitraum von Oktober 2017 bis Januar 2019 fanden regelmäßig Blut- und Urinuntersuchungen der Teilnehmenden statt. Zudem führten sie ein 3-Tage-Wiege-Verzehrprotokoll.


[1]Alexy, U., M. Fischer, S. Weder, A. Längler, A. Michalsen, M. Keller (2020): Vegetarische und vegane Ernährung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – VeChi-Youth-Studie. In: Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): 14. DGE-Ernährungsbericht. Bonn (2020)

[2]Deutsche Welle (2021): Ohne Fleisch und Milch: Darf ich mein Kind vegan ernähren? Online unter: https://www.dw.com/de/ohne-fleisch-und-milch-darf-ich-mein-kind-vegan-ern%C3%A4hren/a-56771762 [15.03.2021]

[3]Bundesinstitut für Risikobewertung: BfR2GO – Wissenschaftsmagazin des BfR, Ausgabe 02/2020. Online unter: https://www.bfr.bund.de/cm/350/bfr-2-go-ausgabe-2-2020.pdf [15.03.2021] 

[4]Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2020): DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Schulen: https://www.schuleplusessen.de/fileadmin/user_upload/medien/DGE-QST/DGE_Qualitaetsstandard_Schule.pdf [15.03.2021]

Interview über die Schulverpflegung von morgen

Prof. Dr. Volker Peinelt leitete 14 Jahre lang das Referat Gemeinschaftsgastronomie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Anschließend war er über 20 Jahre an der Hochschule Niederrhein aktiv und entwickelte unter anderem ein Konzept für eine hochwertige Schulverpflegung. Er war einer der beiden wissenschaftlichen Leiter des 2015 veröffentlichten „Handbuchs der Gemeinschaftsgastronomie“, das mit über 60 Autorinnen und Autoren alle wichtigen Bereiche abdeckt. Im Interview spricht er über seinen Ansatz, die Schulverpflegung in Deutschland zu optimieren.

Herr Prof. Dr. Peinelt, warum braucht es Ernährungsunterricht und Lehrküchen in Schulen?

Es geht hierbei um die Vermittlung von Ernährungswissen und Geschmackserfahrungen sowie praktischen Fertigkeiten bei der Zubereitung von Gerichten. Die Schülerinnen und Schüler sollten lernen, gesunde und schmackhafte Menüs zusammenzustellen und dies in einer Lehrküche auch ausprobieren dürfen. Nur wenn Kinder über Jahre zu Ernährungsthemen geschult werden, können bessere Ernährungsgewohnheiten dauer­haft geprägt werden.

Wir werden oft gefragt, ob es nicht am besten sei, direkt in der Schule frisch zu kochen anstatt sich das Essen liefern zu lassen.

Unter optimalen Voraussetzungen ist die Frischkost das beste Produktionssystem. In Japan funktioniert das einwandfrei, nicht aber in Deutschland. Wir haben nicht genügend Küchenfachkräfte: Die Zahl der Auszubildenden geht kontinuierlich zurück und die Abbruchquote ist sehr hoch (circa 60 %)[1]. Außerdem ist der Investitions- und Raumbedarf bei dieser Kostform am höchsten – sowie übrigens auch die Hygiene-Anforderungen. Hinzu kommt, dass Schulen keine Essenspflicht haben und vor allem in den weiterführenden Schulen oft weniger als 10 % der Kinder am Essen teilnehmen. Somit würden sich die Kosten für ein Frischkost-Essen auf bis zu 10 € belaufen [2]. Welche Eltern können sich das leisten? Der Staat müsste dieses System massiv subventionieren und viele Voraussetzungen erst einmal schaffen, ist dazu aber nicht bereit. Daher wäre ein temperaturentkoppeltes System an Schulen zu bevorzugen: „Cook & Chill“ oder „Cook & Freeze“ sind solche Verfahren, bei denen das Essen zentral zubereitet und an der Schule nur noch erwärmt werden muss. Die Qualität dieser Gerichte ist mit der von Frischkost vergleichbar.

Wie kann das Verpflegungssystem an Schulen optimiert werden?

Wir müssen wegkommen von schulspezifischen und unprofessionellen Lösungen. Stattdessen müsste die Schulverpflegung in größerem Maßstab organisiert werden, mindestens auf kommunaler Ebene. Der Aufwand ist viel zu hoch, wenn jede Schule das Rad neu erfindet. Aber leider wird es in Deutschland genau so gehandhabt, obwohl es qualifizierte Caterer mit dem System der Temperaturentkopplung gibt, die viele Schulen beliefern könnten. Das wäre rationeller, kostengünstiger und qualitativ hochwertig.

Was sollte aus Ihrer Sicht an der Schulverpflegung am dringendsten geändert werden?

Wegen gravierender Schwachstellen in der Schulverpflegung kann nur eine Zertifizierungspflicht auf Basis einer umfassenden Prüfung Abhilfe schaffen, die alle wesentlichen Aspekte abdeckt. Die Qualitätsstandards der DGE können da als Einstieg dienen[3]. Der Prüfkatalog muss aber wesentlich umfangreicher sein. Eine solche Zertifizierung mit jährlichen Folgeprüfungen könnte ein dauerhaft hohes Niveau der Schulverpflegung sicherstellen. Die Hochschule Niederrhein hat ein solches Konzept entwickelt, das inzwischen vom TÜV Rheinland angewendet wird. Es könnte in kurzer Zeit in ganz Deutschland eingeführt werden, wobei pro Essen nur lediglich 1 Cent (!) Mehrkosten anfielen[4]. Da eine Zertifizierungspflicht aber fehlt, kann jede Schule ihr eigenes Konzept umsetzen. Fehlende Kontrollen haben zur Folge, dass Hygienekonzepte nur in etwa der Hälfte der Schulen vorhanden sind – von anderen Schwachstellen ganz zu schweigen. Dies müsste eigentlich zur Schließung zahlreicher Schulmensen führen.

Welche gravierenden Probleme sehen Sie noch?

Die genannten Schwachstellen hängen mit dem Professionalisierungsgrad zusammen, der in der Schulverpflegung einer der schlechtesten in der gesamten Branche ist. Das starke Nachwuchsproblem kann nur durch personalsparende Systeme wie der Temperaturentkopplung gelöst werden. Die massenhafte Umsetzung scheitert unter anderem auch an der geringen Zahlungsbereitschaft. Deshalb gibt es hierzulande so viele Warmverpflegungsangebote, also Essen, das in Zentralküchen gekocht, warm angeliefert und dann noch in den Schulen warm gehalten wird – insgesamt bis zu 6 Stunden. Außerdem glauben viele Eltern, die Schulverpflegung selbst managen zu können und unterschätzen dabei die Komplexität und die Erfüllung rechtlicher Anforderungen. Ein großes Problem ist natürlich auch, dass sich der Staat nicht wirklich um das Thema kümmert. Zwar gibt es Vernetzungsstellen in den Bundesländern, doch können sie nur wenig bewirken. Dabei ließe sich eine hohe Qualität leicht finanzieren: Wenn für jedes Essen 5 € vom Staat gezahlt würde (Vollkosten), entstünden bei 3,2 Millionen Schülerinnen und Schülern[5] und einer Essensteilnahme von durchschnittlich 30 % bei angenommenen 220 Schultagen Gesamtkosten von circa einer Milliarde € pro Jahr. Das wären nur 8,8 % der Subventionierung klimaschädlicher Dienstwagen in Deutschland[6]. Dies zeigt die Prioritäten deutscher Politik.

Sie sagen, dass Qualitätsanforderungen nicht nur für das Mittagessen, sondern auch für die Pausenverpflegung beziehungsweise den Kioskverkauf aufgestellt und kontrolliert werden sollten. Wie können Schulen das umsetzen?

Eine Umsetzung ist am besten möglich, wenn ein qualifizierter Dienstleister verpflichtet wird, auch dieses Segment zu bedienen. Was Schulen dabei beachten müssen, steht zum Beispiel im DGE-Qualitätsstandard. Eine Kontrolle des Dienstleisters könnte am besten im Rahmen der Zertifizierung erfolgen. Auf keinen Fall sollte ungeschultes Personal den Verkauf übernehmen. Die Angebotsqualität ist dann erfahrungsgemäß schlecht.

Geht es bei der Zertifizierung auch um Nachhaltigkeit?

Die vom TÜV Rheinland durchgeführte Zertifizierung legt auch großen Wert auf die Nachhaltigkeit[7]. Eine Schule kann im Erfolgsfall sogar ein eigenes Nachhaltigkeits-Zertifikat erhalten. Erforderlich sind dafür gute Ergebnisse in allen Bereichen der Nachhaltigkeit: Gesundheit, Ökologie, Wirtschaft und Soziales. Die Kriterien hierfür beziehen sich zum Beispiel auf das Speisenangebot, die Herkunft der Lebensmittel (Öko-Landbau), Maßnahmen zur Reduzierung des Speiseabfalls oder Schulungen in Sachen Nachhaltigkeit.

Vielen Dank für das Interview, Prof. Dr. Peinelt.